Bademeister 61
19.04.2024
Die Leute lachen uns aus“
Anne Armbrecht
Von wegen Erholung: Die Stimmung in vielen Freibädern ist oft angespannt. Ein Schwimmmeister berichtet aus seinem Alltag.


Zunehmend machtlos am Beckenrand - so fühlt sich Peter Harzheim, Präsident des Bundesverbands Deutscher Schwimmmeister. Der 63-Jährige arbeitet in einem Erlebnisbad im Sauerland und spricht von einem Respektsverlust vor den Bademeistern. Und das habe Folgen.

Herr Harzheim, in diesem Sommer gab es bundesweit wieder mehrere große Auseinandersetzungen in Freibädern. Nach einem Polizeieinsatz in Düsseldorf sprachen Sie davon, die Aggressivität hätte erheblich zugenommen. Was meinten Sie damit?


Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Eine Kollegin ist kürzlich zu einem Besucher gegangen, hat ihn darauf hingewiesen, dass seine Kinder unbeaufsichtigt im Becken sind, ohne Schwimmflügel. Die Kollegin sagte ihm, das gehe nicht, sei gefährlich und er habe als Elternteil eine Aufsichtspflicht. Er sagte ihr, er hätte noch mehr Kinder Zuhause - und was sie als Frau überhaupt wolle. Da sind Sie sprachlos, was?



Das klingt extrem. Ist so etwas wirklich Alltag?

Heute kriegt man jeden Tag Sprüche zu hören, wenn man jemanden ermahnt.

War das mal anders?

Ich bin seit 45 Jahren im Job. Früher war der Bademeister neben Bürgermeister und Pastor die Respektsperson. Man hatte Respekt vor ihm, Respekt vor der Institution. Das ist verloren gegangen.


Woran liegt das nach Ihrer Meinung?

Ich habe zwei Töchter, die haben auch Blödsinn gemacht. Aber sie haben dann klar gesagt bekommen, was geht und was nicht geht. Das machen Eltern heute nicht mehr. Kinder können sich alles erlauben. Und dann wundern wir uns, dass sie als Erwachsene keinen Respekt mehr vor anderen haben.

Sie sprechen von Aggression und Bedrohung. Haben Sie keine Möglichkeit, durchzugreifen?

Wie denn? Die Leute lachen uns doch aus, wenn wir das Hausrecht durchsetzen wollen. Und wenn es doch Hausverbot gibt, gehen sie ins nächste Bad. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Im Bad können wir nichts tun.

Was ist mit mehr Sicherheitskräften?


Der Gedanke ist für mich erschreckend. Ein Bad soll ein Ort der Erholung sein, für Familien, für Kinder, für alle. Man soll hier Spaß haben und nicht von Sicherheitskräften bewacht werden. Ein Bad darf kein Ort des Schreckens sein.

Was muss sich denn ändern?

Früher konnte man mal über die Wiese gehen. Da hat man gesehen, wo ist vielleicht die Stimmung angespannt. Man konnte präventiv etwas sagen. Heute scheint die Sonne den Leuten auf den Kopf, ein Wort gibt das andere, und dann eskaliert es. Aber bei unserem Personalmangel ist ein Eingreifen nicht mehr möglich.

Ist der Beruf so unattraktiv?

Die Arbeitszeiten sind nicht familienfreundlich, die Bezahlung ist es auch nicht. Und dann dürfen Sie sich noch den Ton, teilweise Bedrohungen der Besucher anhören. Dafür machen Sie drei Jahre Ausbildung, sollen Schwimmlehrer, Ersthelfer, Seelentröster, Animateur sein, die Technik der Anlage pflegen. Eigentlich ist es ein wundervoller Beruf - ich würde ihn immer wieder machen. Aber er wird einem mürbe gemacht.

Was hat das für Konsequenzen?

Bundesweit fehlen uns aktuell 2500 Bademeister. Eher noch mehr. Teilweise müssen Bäder deswegen schon Stunden reduzieren oder ganz schließen. Abgesehen vom Kulturverlust leidet darunter aber auch die Sicherheit.

Inwiefern?

Immer mehr Kinder und Erwachsene können heute nicht mehr richtig schwimmen. Und wir können es ihnen nicht mehr beibringen, weil wir zu wenige sind. Die Respektlosigkeit bringt uns alle in Gefahr.
Mal ein kleiner Auszug für alle Gäste, die die Bademeister kritisieren. Mal nachdenken, sonst gibt es bald keine Freibäder mehr.

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